Chinas Charme-Offensive auf deutsche Universitäten

Von Felix Sternagel | Veröffentlicht am 27.09.2014

konfuzius-institut-der-heinrich-heine-universit-t

Ein Ständer mit der chinesischen und der deutschen Flagge steht im Sekretariat des Konfuzius Instituts der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf Quelle: picture alliance / dpa / Matthias Balk

Mit den Konfuzius-Instituten fördert China seine Sprache und Kultur an den Hochschulen – mit Unterstützung des deutschen Staates. Kritiker sehen die wissenschaftliche Unabhängigkeit in Gefahr.

Sie sind das freundliche Gesicht Chinas im Ausland: Mit Kalligrafie- und Kochkursen, Teezeremonien und Tuschmalerei sollen die „Konfuzius-Institute“ den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes flankieren. Inzwischen tragen rund 450 Institute die Kultur Chinas in die Welt, 15 von ihnen nach Deutschland. Doch das freundliche Gesicht ist für Kritiker nichts weiter als eine Fassade, hinter der sich kalkulierte machtpolitische Interessen verbergen.

Das Konfuzius-Institut unterscheidet sich vom deutschen Goethe-Institut oder dem englischen British Council dadurch, dass es keine eigenständige Organisation ist, sondern meist an Universitäten des Gastlandes angeschlossen ist. Dessen Professoren sind oft gleichzeitig am Sinologie-Lehrstuhl und am Konfuzius-Institut in leitender Position tätig oder tauschen einen Job für den anderen ein. Manche Institute in den USA bieten auch reguläre Lehrplan-Inhalte für die Universitäten an.

Um das zehnjährige Jubiläum von Chinas großem Exporterfolg zu feiern, wurde der 27. September zum „Tag der Konfuzius-Institute“ erklärt. Rund um die Welt hat man sich auf diesen Geburtstag vorbereitet. In China ist man stolz auf den eigenen Erfolg – und auch ein bisschen überrascht. Denn die wenigsten hatten damit gerechnet, dass die 2004 von der chinesischen Regierung ins Leben gerufenen Konfuzius-Institute so großen Zuspruch ernten würden.

Chinesischer Einfluss auf ausländische Universitäten

Doch an der Einflussnahme auf die Hochschulen regt sich Kritik. „Das ist kein gutes Omen für die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Lehre“, sagt Ulrich Delius, Asien-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker. Denn die Konfuzius-Institute werden nicht nur von Universitäten getragen. Die Finanzierung übernimmt das „Staatliche Führungsgruppenbüro für die internationale Verbreitung der chinesischen Sprache“, kurz „Hanban“. Nach eigenen Angaben ist das Hanban dem chinesischen Bildungsministerium nur angegliedert, also formal unabhängig. Ein Blick in die Führungsstruktur offenbart aber, dass viele Hanban-Posten von hochrangigen Staats- und Parteifunktionären besetzt sind.

Jörg-Meinhard Rudolph von der Hochschule Ludwigshafen sorgt sich um die Freiheit der Lehre

Jörg-Meinhard Rudolph von der Hochschule Ludwigshafen sorgt sich um die Freiheit der Lehre Quelle: ja

Diese Verbindung von deutscher Universität und chinesischem Staat ist der Kern der Kritik. Denn letztlich gehe es den Konfuzius-Instituten vor allem um Geld und Einfluss, sagt Jörg-Meinhard Rudolph vom Ostasieninstitut der Hochschule Ludwigshafen: „Dass einfach behauptet wird, man könne Geld von einer politischen Organisation nehmen und trotzdem von ihr unabhängig sein – das gibt’s doch nicht.“ So wie er fürchten viele, dass nicht nur das Konfuzius-Institut selbst chinesische Interessen vertritt, sondern dass diese Haltung auch auf den regulären Universitätsbetrieb übergreift.

Die Sinologie-Lehrstühle, an die die Konfuzius-Institute angeschlossen sind, sehen diese Gefahr freilich nicht. Für sie sind die Institute eine gute Möglichkeit, Drittmittel einzuwerben und mehr Expertise für ihre Universität zu erlangen. Die akademische Sinologie sei ohnehin getrennt vom Konfuzius-Institut. Darauf legt Michael Lackner, Professor für Sinologie an der Universität Nürnberg-Erlangen, besonderen Wert. „An meinem Lehrstuhl bin ich vollkommen frei. Sollte Druck von chinesischer Seite ausgeübt werden, wäre das für mich eine rote Linie.“

Institute werden vom deutschen Staat unterstützt

Am Berliner Konfuzius-Institut sieht man das ähnlich. Die Geschäftsführerin Dagmar Yu-Dembski betont, der Lehrstuhl werde nicht von Hanban finanziert und sei daher vollkommen unabhängig. Aber: „Im Konfuzius-Institut gibt es schon ein paar Tabu-Themen, die wir nicht behandeln können. So könnten wir kein ‚Free-Tibet’-Seminar anbieten oder Taiwan als eigenständigen Staat behandeln.“ Doch solche politisch brisanten Themen gehören ohnehin nicht zur Aufgabe der Konfuzius-Institute. Sie sehen sich als apolitische Kulturvermittler, die interkulturellen Austausch ermöglichen und die chinesische Sprache vermitteln. Das Angebot reicht von Tee-Zeremonien über China-Tage für Schüler bis hin zu Business-Sprachkursen. In dieser Rolle werden sie auch vom deutschen Staat unterstützt.

IM KONFUZIUS-INSTITUT GIBT ES SCHON EIN PAAR TABU-THEMEN, DIE WIR NICHT BEHANDELN KÖNNEN
DAGMAR YU-DEMBSKI,Geschäftsführerin im Berliner Konfuzius-Institut

Inzwischen sind sie aber auch fester Bestandteil der Charme-Offensive geworden, die Chinas negatives Image im Ausland verbessern soll. So bezeichnete der ehemalige Propagandachef der Kommunistischen Partei Chinas, Li Changchun, sie als „wichtigen Teil der chinesischen Übersee-Propaganda“. Im Rahmen seiner Soft-Power-Offensive will China nicht mehr nur als aufsteigende Wirtschaftsmacht gesehen werden, sondern auch seine reiche Kultur der Welt bekannt machen. Yu-Dembski sieht das pragmatisch: „Soft Power ist besser als Hard Power.“

Doch in diesem Sommer wurde es einigen mit der Soft Power zu viel. Über 100 US-Professoren unterzeichneten eine Petition gegen die Institute. Auch die Vereinigung Amerikanischer Hochschulprofessoren (AAUP) riet zur Schließung der Institute, sollten diese weiterhin in die Lehrplangestaltung eingreifen und die freie Rede einschränken. Hans-Joerg Tiede vom Komitee für akademische Freiheit und Festanstellungen der AAUP erklärte auf Anfrage der „Welt“: „Wir empfehlen nicht, die Konfuzius-Institute zu schließen. Wir erwarten lediglich, dass sie unter allgemein akzeptierten Standards der Hochschulbildung der USA operieren.“

Konfuzius-Institut duldet keinen taiwanesischen Co-Sponsor

In Portugal sorgte kürzlich eine Konferenz der European Association for Chinese Studies (EACS) für Aufsehen. Die Zentrale der Konfuzius-Institute sponserte die Veranstaltung, duldete aber keinen taiwanesischen Co-Sponsor. Deshalb ließ die Vorsitzende, Xu Lin, am Vorabend alle Programmhefte einsammeln. Erst als die missliebigen Seiten herausgerissen waren, gab sie die rund 300 Hefte am nächsten Morgen wieder frei. EACS-Präsident Roger Greatrex bezeichnete eine solche „Zensur“ in einem öffentlichen Protestbrief als inakzeptabel.

Dass solche Vorgänge in deutschen Instituten wenig Widerhall finden, liege vor allem daran, dass Sinologen stets unter einem latenten Druck aus China stünden, meint Jörg-Meinhard Rudolph von der Hochschule Ludwigshafen. Immer wieder komme es sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern zu Fällen von Selbstzensur. Denn mit zu kritischen Publikationen gefährde man seine Kontakte nach China und die Möglichkeit, dort zu forschen. So sei es für ihn genau wie für Ulrich Delius nicht möglich, ein Visum für die Einreise nach China zu bekommen. Rudolph vermutet seine kritischen Äußerungen als Grund, eine offizielle Begründung dafür wurde ihm aber verweigert.

Eine gewisse Kritik an China sei aber durchaus erlaubt, entgegnet Heiner Roetz von der Ruhr-Universität Bochum. „Man muss aufpassen, was man öffentlich sagt und schreibt – insbesondere wenn damit die Systemfrage gestellt wird. Es gibt sicherlich auch eine Kritik, die akzeptiert wird, nämlich solange sie unter der Systemschwelle bleibt. Worauf China allerdings mit einem gewissen Recht empfindlich reagiert, sind politische Belehrungen durch westliche Politiker, von denen man genau weiß, dass sie tatsächlich nur nach China kommen, um Türöffner für Investoren zu spielen.“

Deutsche urteilen ohne Hintergrundwissen über China

Im Berliner Konfuzius-Institut ist man dagegen weniger über deutsche Interessenpolitik besorgt als vielmehr über die oft einseitige Anti-China-Haltung in der Bevölkerung. Debatten würden von vielen Deutschen voreingenommen und daher letztlich fruchtlos geführt, kritisiert Yu-Dembski. Sie kann daher die Kritik nicht nachvollziehen, dass die Konfuzius-Institute sich zu sehr aus Diskussionen über die Verhaftungen des Künstlers Ai Weiwei oder des Nobelpreisträgers Liu Xiaobo heraushalten würden.  Denn für solche Diskussionen seien bei den meisten Menschen die Grundlagen nicht vorhanden. „Ehe man sich ein Urteil über etwas bildet, braucht man Hintergrundwissen. Doch das können wir nicht mit ein paar wenigen Veranstaltungen im Konfuzius-Institut schaffen“, erklärt sie.

Dagmar Yu-Dembski ist Geschäftsführerin des Berliner Konfuzius-Instituts

In dieser Abkehr vom Politischen und Hinwendung zu rein kulturellen Themen sieht Roetz dagegen die tatsächliche Bedeutung der Konfuzius-Institute. So seien sie schon dann erfolgreich, wenn sie „das Negativbild Chinas als Land der Parteidiktatur, der Repression von Bürgerrechtlern, der Korruption und eines rohen Kapitalismus hinter einer bunten Fassade der Harmlosigkeit“ verstecken können, schrieb er bereits 2013 in einem Fachbeitrag.

Anzeige

Doch die selbst verordnete Trennung von Kultur und Politik halten die Konfuzius-Institute selbst nicht immer ein. So äußerte der Literaturnobelpreisträger Mo Yan kürzlich im Magazin der Konfuzius-Institute, man dürfe verschiedene Kulturen nicht in Kategorien von fortschrittlich und rückschrittlich bewerten. Er argumentiert, das „in Augenschein Genommene“ bleibe immer ein „Ergebnis einer besonderen Kultur“. Die Beurteilung sei immer abhängig von den gesellschaftlichen Umständen, in denen der Beurteilende lebt.

Es ist dasselbe Argument, mit dem die chinesische Regierung rechtfertigt, dass die westliche Idee der Menschenrechte nicht auf China übertragen werden kann.

Source: https://www.welt.de/politik/deutschland/article132683795/Chinas-Charme-Offensive-auf-deutsche-Universitaeten.html

Views: 318

Dejar un comentario?

0 Comentarios.

Deje un comentario